Mittwoch, 23. Februar 2011

Hetzjagd auf Guttenberg. Und ein paar Dinge, die mir Angst machen.


Verteidigungsminister zu Guttenberg hat bisher in seiner Amtsführung keine Fehler gemacht, die man ihm ernsthaft zur Last legen kann. 
Im Gegenteil.
Mutig hat er angepackt, was so viele vor ihm sich nicht getraut haben:
Er hat einen Verwaltungsapparat, der sich lange schon verselbständigt hatte, in seine Schranken gewiesen.
Er hat, dort wo es nötig war, schnell und trotzdem mit großer Besonnenheit reagiert.
Und er hat - weil er stets gradlinig wirkt, forsch auftritt und vor allem Kompetenz ausstrahlt - innerhalb kurzer Zeit, die Sympathie der Truppe für sich gewonnen. Die Sympathie derer, die in unserem Auftrag ihren Kopf hinhalten und unter Gefahr für Leib und Leben unsere bisher noch demokratische westliche Lebensweise verteidigen.

Zu Guttenberg hat auch studiert. Er hat sein Studium abgeschlossen.
Und weil in unserer modernen Gesellschaft noch immer - vielleicht gar immer mehr - Doktortitel und Amtsautorität wichtiger scheinen, als fachliche und soziale Kompetenzen, Emphatie und persönliche Autorität, hat er auch noch eine Promotion hinten angehängt.
Trotz großem beruflichem und politischem Engagement.
Eine Mehrfachbelastung, die er vielleicht besser hätte bleiben lassen.
Denn er hat Fehler gemacht. Handwerkliche Fehler. 
Doch Fehler werden in unserer ach so perfekten Welt nicht mehr geduldet.
Schon garnicht, wenn diese Fehler anderen wunderbar in den Kram passen.

Dass ihn die Bundeskanzlerin nicht wegen seines Doktortitels ins Kabinett berief, sondern weil er eben kompetent und außerordentlich engagiert war und ist, zählt nicht.
Rücktritt wird gefordert, Betrug und Hochstapelei werden unterstellt.
Das - nicht ohne Anspruch "Social Network" genannte - Netz von Bloggern und Microbloggern wird zum Lynchmob.

Vergessen ist das Johannes-Evangelium, in dem die Pharisäer nach dem Satz "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie" still von dannen ziehen.

Vergessen ist auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, in deren 11. Artikel es im ersten Absatz heißt "Jeder, der wegen einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem er alle für seine Verteidigung notwendigen Garantien gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist."

Und vergessen ist auch Ghandis Satz "Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken."

Alles das ist vergessen. Das ist schade.
Auch für die Sozialen Netzwerke.

3 Kommentare:

  1. Von einem "Lynchmob" zu sprechen finde ich mitunter genauso unpassend, wie zu behaupten, dass es heut zu Tage eine perfekte Welt gäbe.
    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich keinen deiner wirklichen Anschuldigungen an das Social Network teilen kann.
    Guttenberg hat Fehler gemacht. - Gravierende Fehler auf wissenschaftlicher, aber auch auf politischer Ebene. Viele Dinge hat er zulange verschleppt. Zu oft hat er in kürzester Zeit seine Meinung und seine Handlung komplett revidiert (Gorch Fock, Dissertation etc.)
    Er darf Fehler machen, Politiker dürfen Fehler machen, sollen aber dafür genauso "bestraft" oder behandelt werden wie der kleine Universitätsstudent in seiner Magisterarbeit. Was ist eine Unterschrift auf einem Wisch denn wert, auf dem "Eidesstattliche Versicherung", wenn es keine Konsequenz haben soll. Er hat hier einfach handwerklich mies gearbeitet. Es ist kein Flüchtigkeitsfehler. Es sind dafür zuviele. Gerade er als Minister, bzw. damals als MdB müsste doch genügend Menschen in seinem Umfeld gehabt haben, die diese Arbeit nochmals kontrollieren. Die Kontrolle einer solchen Arbeit nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, diese Zeit hat er sich nicht genommen. Vielleicht auch mit dem Gedanken, dass es eh keiner merken wird. Nun hat man es aber gemerkt und man soll zu Fehlern stehen, dies hat er am Anfang nicht getan. Hat sogar die Hauptstadtpresse düpiert und hat "ausgewählte" Journalisten dazu eingeladen sein Statement über den Äther zu schicken.
    Ich gebe dir prinzipiell recht, dass Fehler gemacht werden dürfen und dass niemand unfehlbar ist. Das lernt uns schon die Bibel, dennoch sollte man auch zu seinen Fehlern stehen und nicht noch versuchen durch Wortgewandheit und offene Trickserei die Kuh vom Eis zu holen. Offenheit wäre das Gebot der Stunde gewesen, direkt, am Anfang, zu Beginn und nicht erst vier Tage später!
    Und noch ein paar Worte zum Thema "perfekte Welt": Ich weiß zwar nicht ob du in einer lebst oder leben möchtest. Ich lebe nicht in einer. Ich sehe jeden Tag Not und Elend, sehe Tote im Fernsehen, sehe Kriegsopfer, politisch Verfolgte und Menschen die nicht genügend zu Essen und zu Trinken haben. Wo bitteschön ist das eine perfekte Welt? Wenn einer uns eine perfekte Welt vorgaukeln wollte, dann war es der Baron von und zu Guttenberg. Er stellte doch Leibhaftig das dar, was man unter Hofadel versteht. Was wir Deutschen oft nur noch aus Großbrittanien kennen. Er spielte uns eine perfekte, glatte und reibungslose Welt vor und die gibt es eben nicht. Das musste eben auch KT zu Guttenberg erfahren. Die Realität sieht gänzlich anders aus und das weisst du als Kommunalpolitiker ebenso gut wie die Verkäuferin beim Bäcker. Probleme sind da um sie zu lösen und nicht um sie auszublenden!

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  2. Genau, lieber Volker. Du hast Recht: Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass ein Politiker mit Äußerungen und Feststellungen solange zögert, bisher er so umfassende Informationen hat, dass er mit Sachkenntnis antworten und verantwortungsvoll die richtigen Schritte einleiten kann.
    Das nennst du "Verschleppen".
    Und das passt nicht in eine Zeit, in der mancher in Echtzeit selbst die Benutzung von Toilettenpapier via Internet einer großen Öffentlichkeit verkündet.
    Und ja: Ein Minister oder gar Bundestagsabgeordneter muss selbsterständlich über eine schier unüberschaubare Zahl von Freunden und Bekannten verfügen, die eine juristische Ausarbeitung mit 475 Seiten voller Freude gegenlesen.
    Und zum dritten, freue ich mich, dass du die Ironie des Ausdrucks "Perfekte Welt" so außerordentlich zielsicher erkannt hast ;-)

    Ein Frage am Rande: Hast du auch mit solchem Engagement den Rücktritt der EX-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gefordert nach ihrer Dienstwagenaffäre gefordert?
    Oder den Rücktritt von rheinland-pfälzischen Regierungsmitgliedern die offenbar hunderte von Millionen gewusst haben, dass rund um die Geschichte Nürburg-Ring 95 Millionen Euro in der Schweiz "geparkt" wurden?
    Ich jedenfalls nicht. Denn auch wenn's den politischen Mitbewerber betrifft: Verurteilungen sind Sache der Gerichte und eines geordneten Verfahrens.

    Eine Frage noch am Rande: Haben

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  3. Erfreulich: Die große Mehrheit kann die Fehler des Karl-Theodor zu Guttenberg richtig einorden und ist lt. einer STERN-Umfrage gegen den Rücktritt. 73 Prozent sprachen sich offenbar für einen Verbleib im Amt aus. STERN.de schreibt "Sogar die Anhänger von SPD, Grünen und der Linken waren mehrheitlich gegen einen Rücktritt."

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