Dienstag, 5. Juni 2012

Am Wahlrecht wird herumgedoktert. Ersetzt wieder einmal die Juristerei die Politik?

Eine Meinung? Meine Meinung!

Nun ist es wieder soweit. 
In Karlsruhe wird über unser Wahlsystem beraten. 
Was lange gut genug war und unserem Land gleichzeitig stabile Mehrheiten UND ein verhältnismäßig buntes Parteienspektrum bescherte, wird wieder einmal in Frage gestellt.

Zunächst einmal vorneweg: Sowohl das Mehrheitswahlrecht als auch das Verhältniswahlrecht bieten Vor- und Nachteile.
Das zeigen Gegenwart und Geschichte gleichermaßen.
Mit Besonnenheit und Weitsicht wurde deshalb ein Mischsystem mit drei (!) Eckpfeilern gewählt.
Bei näherem Hinschauen zeigt sich nämlich, dass in Deutschland nämlich gerade nicht eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht gilt (wie irrtümlich sogar manchmal an Schulen gelehrt wird).
Sondern eigentlich ein personalisiertes Verhältniswahlrecht.
Zwar haben die Wählerinnen und Wähler in Deutschland die Möglichkeit, in relativer Mehrheitswahl mit ihrer sogenannten Erststimme eine Direktkandidatin bzw. einen Direktkandidaten zu wählen.
Das ist der erste Eckpfeiler unseres Wahlrechts.
Darüber, wie sich der Bundestag zusammensetzt und wie viele Sitze eine Partei erhält, entscheidet jedoch ganz alleine der Anteil an Zweitstimmen.
Das ist der zweite Eckpfeiler unseres Wahlrechts.
Wenn nun jedoch eine Partei mehr Direktmandate für sich erringen kann, als ihr nach dem Anteil der Zweitstimmen Sitze im Bundestag zustehen würden, entstehen Überhangmandate.
Der dritte Eckpfeiler.
Die Abgeordnetenzahl im Bundestag erhöht sich um die Zahl der Überhangmandate - was dann zugegebenermaßen tatsächlich Mandate sind, die aus einer Mehrheitswahl entstehen.
Alle anderen Sitze entstehen durch eine Verhältniswahl und werden lediglich - zum Teil -durch eine realtive Mehrheitswahl besetzt.
Das klingt vielleicht ein wenig verwirrend. 
Und es mag kompliziert erscheinen.
Aber dieses Wahlrecht wurde bewusst so ausgeklügelt konstruiert und hat sich jahrzehntelang nicht nur bewährt, sondern gilt in manch anderen Ländern dieser Erde als DAS Musterbeispiel für demokratische Wahlen.
Es ist ein immenses Plus an Demokratie, denn es verbindet einerseits die jeweiligen Vorteile unterschiedlicher Wahlsysteme und ermöglicht es den Wählerinnen und Wählern zudem auch noch taktisch zu wählen, in dem man Erst- und Zweitstimme unterschiedlich vergibt.

Nun wird das System  angegriffen.
Auch von denen, die vorher durchaus davon profitiert haben.
Juristisch wird in Frage gestellt, was mit großer Weitsicht und Vernunft entstanden ist.
Argumentiert wird mit dem Wortkonstrukt "Negatives Stimmgewicht".
Doch das wird es in unserem Wahlsystem immer geben.
Unterschiedlich stark vielleicht.
Doch trotzdem immer.
Egal was sich die Juristen ausdenken.
Wer das bestreitet, bestreitet dies wider besseres Wissen.

Und doch:
Bei allen taktischen und juristischen Winkelzügen - unterschätzt die Menschen in Deutschland nicht.
Wahlen können - und das bleibt hoffentlich auch so - auch künftig gottseidank nicht am Richtertisch entschieden werden.






6 Kommentare:

  1. Ich betrachte auch unser kombiniertes Wahlrecht für den Bundestag gut und in der Praxis bewährt. Es gibt doch tatsächlich dem Wähler in den Wahlkreisen die Chance einer Direktwahl - das Verhältnis zwischen den einzelnen Parteien wird jedoch durch die Zweitstimme relativiert. Überhangmandate sind nun einmal durch Erststimmen der Wähler in den Wahlkreisen zustande gekommen und können diesen direkt gewählten Abgeordneten acuh nicht wieder abgenommen werden. Im Übrigen hat Alwin Theobald recht, es wirkt auch mehrheitsbildend, ohne diese klaren Mehrheiten gibt es keine starken demokratischen Entscheidungen, dies haben wir doch in vielen Ländern viele Jahre lang erlebt. Ich halte dieses Wahlrecht in Ordnung - dies müsste sich auch juristisch, d. h. beim Bundesverfassungsgericht so bestätigen. Berthold Schmitt, Eppelborn.

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    1. Es ist sehr wohl möglich ein Wahlrecht ohne negatives Stimmengewicht zu erhalten. Ein reines Verhältniswahlrecht, ein reines Mehrheitswahlrecht aber auch sie Gesetzentwürfe der Grünen und der Linken enthalten kein negatives Stimmengewicht.
      Ich will nicht zur Wahl gehen und anschließend feststellen, dass es besser für die gewählte Partei wäre, wenn ich zu Hause geblieben wäre. Deshalb finde ich das negative Stimmengewicht schädlich.

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    2. Ich finde, dass es aus guten Gründen weder ein reines Verhältnis- noch ein reines Mehrheitswahlrecht gibt.
      Auch die Vorschläge der Grünen und der Linken haben ihre Nachteile. Im Übrigen glaube ich, dass gerade diese beiden Parteien bisher noch bei keiner aller siebzehn bisherigen Wahlen einen Nachteil, das heißt weniger Sitze im Bundestag, erlitten haben.
      Sollte dies anders sein, lasse ich mich gerne belehren.
      Ich befürchte, dass hier ein marginales rechnerisches Problem künstlich hochstilisiert wird um etwas ganz anderes zu erreichen:
      Es geht nicht und es ging nie um das negative Stimmgewicht. Es geht ganz alleine darum, die Überhangmandate abzuschaffen. Das ist nicht Politik. Das ist Taktiererei. Erkennbar ist dies ganz leicht daran, dass merkwürdigerwiese gerade die, die jetzt laut schreien, während ihrer Regierungszeit das Wahlgesetz nicht geändert haben - zumal ein negatives Stimmgewicht lediglich bei den Wahlen 1990, 1994 und 2002 nachgewiesen ist, also bei gerade mal drei von bisher siebzehn Bundestagswahlen.

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    3. Das Bundesverfassungsgericht hat 2008 entschieden, dass das negative Stimmgewicht verfassungswidrig ist. Das Urteil erfolgte einstimmig und ist gut begründet. Die Gleichheit der Wahl ist nicht gewährleistet. Geklagt haben haben nicht irgendwelche Parteien, sondern Bürger.
      Das negative Stimmgewicht trat nach dem alten Wahlrecht immer dann auf, wenn Überhangmandate vergeben wurden. Also auch 2005 und 2009.
      Beim neuen Wahlrecht kann negatives Stimmengewicht auch dann auftreten, wenn es keine Überhangmandate gibt. Deshalb haben nicht nur SPD und Grüne geklagt, sondern auch die Bürger die das Urteil von 2008 erwirkt haben.

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  2. Super!

    Fast so ein guter Blog wie: "Wer auszieht muss auch wieder einziehen"

    Toll!!! Weiter so!

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