Donnerstag, 12. Mai 2022

Kampf gegen Kindesmissbrauch: EU-Kommission präsentiert Gesetzesvorschlag zum Schutz von Kindern

Die EU-Kommission hat gestern neue EU-Rechtsvorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet vorgeschlagen Das ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt, denn wie die Kommission in ihrer Begründung selbst schreibt, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern allgegenwärtig.
Allein im Jahr 2021 seien weltweit 85 Millionen Bilder und Videos mit Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch gemeldet worden, so die EU-Kommission. Und sie ergänzt: "Die Dunkelziffer ist hoch!" Die COVID-19-Pandemie habe dabei das Problem noch verschärft: Nach Angaben der Internet Watch Foundation ist die Zahl der bestätigten Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 64 % gestiegen. "Mit den derzeitigen Regelungen, die auf eine freiwillige Aufdeckung und Meldung durch die Unternehmen setzen, werden Kinder nachweislich nicht ausreichend geschützt", macht die EU-Kommission in einer Mitteilung deutlich und weist darauf hin, dass selbst die bereits bestehenden Möglichkeiten zur Aufdeckung entsprechender Inhalte nicht mehr zur Verfügung stehen werden, wenn die gegenwärtige Übergangslösung ausläuft.
Der Gesetzgebungsprozess muss deshalb jetzt zügig zum Abschluss gebraucht werden, damit wir so schnell wie möglich zu einem verlässlichen Rechtsrahmen kommen. Datenschutz darf nicht noch mehr zum Täterschutz werden!

Lena Düpont (CDU), innenpolitische Sprecherin unserer CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, macht zu Recht deutlich: „Missbrauchsdarstellungen haben ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Videos, auf denen Kindern Unvorstellbares angetan wird, fluten das Internet. Dass wir Unternehmen künftig verpflichten, den sexuellen Missbrauch von Kindern zu erkennen und zu melden, ist ein wichtiger und überfälliger Schritt im Kampf gegen Kindesmissbrauch und dessen sexualisierte Darstellung im Internet. Wir können nicht zulassen, dass Ermittlung und Aufklärung ausgerechnet hier an Grenzen stoßen. Aufklärung, Prävention und Opferschutz sind richtig und wichtig. Eine eindeutige und robuste Rechtsgrundlage um eklatante Lücken in der Aufdeckung und Verfolgung dieser grausamen Verbrechen zu schließen unverzichtbar. Unsere Ermittlungsbehörden brauchen die nötigen Instrumente, um gegen diese Verbrechen vorzugehen. Die Stärkung von Europol und das eigens zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs geschaffene EU-Zentrum werden die Zusammenarbeit unserer Strafverfolgungsbehörden effektiver und rechtssicher machen.“ 

In ihrer Pressemitteilung zu dem aktuellen Vorstoß für mehr Kinderschutz betont die EU-Kommission: "Damit Online-Dienste nicht für den sexuellen Missbrauch von Kindern genutzt werden, braucht es klare Vorschriften mit robusten Bedingungen und Schutzmechanismen. Der neue Gesetzesvorschlag nimmt die Anbieter in die Pflicht: Sie müssen Material über sexuellen Kindesmissbrauch in ihren Diensten aufdecken, melden und entfernen. Außerdem müssen sie das Risiko, dass ihre Dienste missbraucht werden, bewerten und mindern. Die hierzu getroffenen Maßnahmen müssen mit Blick auf das Risiko verhältnismäßig sein und sind an robuste Bedingungen und Schutzmechanismen gekoppelt."

So werde unter anderem ein neues unabhängiges EU-Zentrum für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (EU-Zentrum) die Diensteanbieter in ihren Bemühungen unterstützen. Es diene als Wissenszentrum, das verlässliche Informationen über ermitteltes Material bereitstelle und Meldungen von Anbietern entgegennehme und analysiere, damit Falschmeldungen nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Gleichzeitig sollen einschlägige Meldungen schnell zur Strafverfolgung weitergegeben und die Opfer unterstützt werden.

"Der neue Vorschlag wird dazu beitragen, Kinder vor fortgeführtem Missbrauch zu bewahren, das Wiederauftauchen von Material im Netz zu verhindern und die Täter vor Gericht zu bringen", so die EU-Kommission.

Die Vorschriften beinhalten insbesondere Folgendes:

  • Pflicht zur Bewertung und Minderung von Risiken: Anbieter von Hosting- oder Messenger-Diensten müssen eine Risikobewertung anstellen, inwieweit ihre Dienste für die Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch oder für die Kontaktanbahnung („Grooming“) missbraucht werden könnten. Die Anbieter müssen auch Maßnahmen zur Risikominderung vorsehen.

  • Gezielte Aufdeckungspflichten auf Basis von Anordnungen: Die Mitgliedstaaten sollen nationale Behörden benennen, die für die Überprüfung der Risikobewertung zuständig sind. Stellen diese Behörden fest, dass ein erhebliches Risiko bleibt, können sie bei einem Gericht oder einer unabhängigen nationalen Behörde eine Anordnung beantragen, mit der verfügt wird, dass bekanntes oder neues Material über sexuellen Kindesmissbrauch oder Kontaktanbahnungen aufgespürt werden müssen. Diese Anordnungen sind zeitlich befristet und dienen dazu, eine bestimmte Art von Inhalt in einem bestimmten Dienst aufzudecken.

  • Starke Schutzmechanismen bei der Aufdeckung: Unternehmen, die eine Anordnung zur Aufdeckung von Inhalten erhalten haben, dürfen hierfür ausschließlich Indikatoren für sexuellen Kindesmissbrauch nutzen, die vom EU-Zentrum überprüft und bereitgestellt wurden. Die Erkennungstechnologien dürfen nur für die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch eingesetzt werden. Die Anbieter müssen Technologien einsetzen, die nach dem Stand der Technik in der Branche am wenigsten in die Privatsphäre eingreifen und dafür sorgen, dass die Fehlerquote falsch positiver Ergebnisse so gering wie möglich ist.

  • Klare Meldepflichten: Anbieter, die Online-Inhalte mit sexuellem Kindesmissbrauch aufgespürt haben, müssen diese an das EU-Zentrum melden.

  • Wirksame Entfernung: Wird Material über sexuellen Kindesmissbrauch nicht umgehend entfernt, können die nationalen Behörden eine Entfernungsanordnung erlassen. Internetanbieter werden außerdem verpflichtet, den Zugang zu Bildern und Videos zu sperren, wenn diese nicht entfernt werden können, beispielsweise weil sie außerhalb der EU in kooperationsunwilligen Ländern gehostet werden.

  • Besserer Schutz vor „Grooming“: Nach dem Vorschlag müssen App-Stores sicherstellen, dass Kinder keine Apps herunterladen können, die eine erhöhte Gefahr bergen, dass Täter darüber Kontakt zu den Kindern suchen.

  • Solide Kontrollmechanismen und Rechtsbehelfe: Anordnungen zur Aufdeckung von Inhalten werden von Gerichten oder unabhängigen nationalen Behörden erlassen. Um die Gefahr der Falscherkennung und Falschmeldung so gering wie möglich zu halten, werden Meldungen von mutmaßlichem sexuellem Kindesmissbrauch vom EU-Zentrum überprüft, bevor sie an die Strafverfolgungsbehörden und an Europol weitergeleitet werden. Sowohl Anbieter als auch Nutzer haben das Recht, jede sie betreffende Maßnahme vor Gericht anzufechten.

Das neue EU-Zentrum unterstützt 

  • die Anbieter von Online-Diensten insbesondere dabei, ihre neuen Verpflichtungen zur Durchführung von Risikobewertungen sowie zur Aufdeckung, Meldung, Entfernung und Sperrung von Kindesmissbrauchsinhalten zu erfüllen, indem es Indikatoren für die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch bereitstellt und die Meldungen der Anbieter entgegennimmt; 

  • die nationalen Strafverfolgungsbehörden und Europol, indem es die Meldungen der Anbieter überprüft, um sicherzustellen, dass es sich nicht um Falschmeldungen handelt, und indem es sie schnell an die Strafverfolgungsbehörden weiterleitet. Dies wird dazu beitragen, dass Kinder vor
    Missbrauchssituationen bewahrt und die Täter der Justiz zugeführt werden;

  • die Mitgliedstaaten, indem es als Wissenszentrum für bewährte Praktiken im Bereich der Prävention und Opferhilfe dient und einen evidenzbasierten Ansatz fördert;

  • die Opfer, indem es ihnen dabei hilft, dass die betreffenden Missbrauchsdarstellungen entfernt werden.

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