Dienstag, 21. September 2010

Ist Nichtwählen nicht auch ein Stück Demokratie?

Politik und Presse fordern in seltenem Gleichklang die falschen Konsequenzen aus der relativ niedrigen Wahlbeteiligung bei der Landratswahl im Landkreis Neunkirchen

Mehr als 40.000 Wählerinnen und Wähler haben bei der Landratswahl am vergangenen Sonntag ihre Stimme abgegeben und entweder für die Sozialdemokratin Cornelia Hoffmann-Bethscheider oder meinen christlich demokratischen Parteifreund Thomas Thiel gestimmt.

Eine Menge Menschen hat damit ihr Wahlrecht ausgeübt. 
Ein wichtiges und keineswegs überall auf dieser Welt selbstverständliches Recht.
Ein Recht, das auch in Deutschland nicht immer selbstverständlich war, das von Generationen vor uns zum Teil unter schweren Opfern erkämpft wurde.
Ein Recht, das es wert ist, verteidigt zu werden.


Ja, es stimmt: Fast zwei Drittel der Wahlberechtigten haben sich entschieden, nicht zu Wahl zu gehen. 
Aus unterschiedlichen Gründen.
Zum Beispiel, weil beide Kandidaten trotz einer Vielzahl bunter Plakate und Hochglanzflugblätter noch immer zu unbekannt waren.
Zum Beispiel, weil viele Menschen zur Zeit - und nicht ganz ohne Grund - politik- oder politkerverdrossen sind.
Möglicherweise aber auch, weil niemand so richtig weiß, was ein Landrat wirklich macht und wie wichtig dieses Amt sein könnte, wenn der Amtsinhaber oder die Amtsinhaberin ihren Job richtig machen und ihre Verantwortung ernst nehmen würden.

Manche gingen aber auch schlichtweg nicht zu Wahl, weil sie den Termin vergessen haben, weil es sie nicht interessiert hat oder weil sie einfach nur zu faul und zu bequem waren, sich auf den Weg ins Wahllokal zu machen.

Die Gründe sind unterschiedlich. Und bis auf den Letztgenannten auch durchaus nachvollziehbar und akzeptabel.

Trotzdem haben - wie bereits erwähnt - mehr als 40.000 Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.
Punkt.

Eben dieses Wahlrecht würden ihnen nun gerne ein Kommentator der Saarbrücker Zeitung wieder wegnehmen. Er sagt - und beschämenderweise wird er dabei von einigen Politikern mehr oder weniger zurückhaltend unterstützt - dass eine Direktwahl des Landrates nicht demokratischer sei als eine Wahl durch die 33 Kreistagsmitglieder.
Diese Aussage sollte man sich nochmals genau ansehen und auf der Zunge zergehen lassen, deshalb das Originalzitat:
"Es ist ein Irrglaube, dass die Direktwahl des Landrats demokratischer wäre als dessen Wahl durch den Kreistag". (Norbert Freund, SZ v. 21.09.2010)

Mehr als 100.000 Menschen im Landkreis Neunkirchen waren und sind wahlberechtigt. 
Mehr als 40.000 Menschen haben dieses Freiheitsrecht genutzt.
Geht es nach dem Redakteur der Saarbrücker Zeitung und einiger Politiker, ist also eine Wahl durch 33 Parteimitglieder ebenso demokratisch legitimiert wie eine allgemeine Wahl, die über hunderttausend Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt, mitzuentscheiden.

Mal ganz ehrlich: Dieses Demokratieverständnis ist absurd. 
Und ich kann als überzeugter Demokrat nur hoffen, dass niemand auf den Gedanken kommt, auch in diesem Falle die veröffenlichte Meinung als öffentliche Meinung anzusehen.

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