Donnerstag, 13. August 2020

Kammerflimmern in unserer Krankenhauslandschaft.

Die neoliberal eingestellte, nichtsdestotrotz jedoch einflussreiche Bertelsmann-Stiftung empfiehlt, jedes zweite Krankenhaus in Deutschland zu schließen. Zielstrebig verfolgt sie durch aktive Lobbyarbeit das Ziel, unser Gesundheitswesen noch mehr dem wirtschaftlichen Wettbewerb zu unterwerfen. Bei den Menschen in Deutschland stoßen die Bertelsmänner dabei auf eine geteilte Meinung: zwischen 50 Prozent und 61 Prozent der Befragten lehnen eine solche weitere Strukturreform strikt ab. Je nachdem, welcher Umfrage man Glauben schenken mag. Vor allem im ländlichen Raum fürchten sich die Menschen vor Versorgungsengpässen. Mehr als ein Drittel der Deutschen wäre sogar bereit, höhere Krankenkassenbeiträge zu zahlen, nur damit das Krankenhaus in ihrer Nähe erhalten bleibt. Und sie haben gute Gründe dafür, wie der Blick über unsere Grenzen hinaus ins medizinisch überforderte Ausland zeigt.


Gleich mehrere Umfragen bestätigen mir, was sich auch in meinen Gesprächen mit den Menschen im den Gemeinden des nördlichen Saarlandes, im Landkreis Neunkirchen oder insbesondere auch in meiner Heimatregion rings um die Mündung von Ill und Theel wiederspiegelt: Eine Mehrheit der Menschen will keinen Kahlschlag in unserem Gesundheitswesen. Viele Menschen fürchten sich vor langen Wegen im Rettungswagen und dass sie bei Notfällen nicht schnell genug klinisch versorgt werden könnten, wenn das Krankenhaus in ihrer Nähe geschlossen würde.
Andere wiederum sind eingeschüchtert beim Anblick riesiger Klinik-Burgen, die zwar sicherlich bestens für eine moderne Hochleistungsmedizin ausgestattet sind, aber den Patienten/die Patientin möglicherweise zur Nummer, den kranken Menschen zum "Fall" werden lassen.

Hinzu kommt ein Mangel an Fachkräften, sowohl im ärztlichen Bereich als auch in der Pflege. Dieser Fachkräftemangel führt zu Überlastung, er führt dazu, dass Wochenenden und freie Zeit oft nicht mehr planbar sind. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich daher oft ausgenutzt und ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht selten auch ausgebrannt.

Ich will es nicht bestreiten: Wir haben im Saarland vergleichsweise viele Krankenhausstandorte, zweiundzwanzig an der Zahl. (Das relativiert sich allerdings ganz schnell, wenn man sich die Zahl der Krankenhäuser und Fachkliniken alleine in der Stadt Essen anschaut. Die Liste findet ihr hier.

Im Saarland liegen die meisten Kliniken, vor allem die wirklichen Maximalversorger, in den Städten der sogenannten Saarschiene. Insgesamt 17 der 22 Kliniken und Krankenhäuser liegen in der Südhälfte unseres Landes zwischen Homburg, Neunkirchen, Saarbrücken, Völklingen und Saarlouis.
Berücksichtigt man, dass die Schließung des Krankenhauses in Ottweiler bereits als beschlossen gilt, bleibt mit der Caritas-Klinik in Lebach noch ein zentral ländlich gelegenes Krankenhaus in Lebach, das die Region Ill/Theel/Prims abdeckt, es bleiben die Krankenhäuser Merzig und Losheim im Nordwesten und St. Wendel im Nordosten sowie ein kleines Krankenhaus in Mettlach, das sich jedoch mit gerade einmal 31 stationären Betten für Akutgeriatrie und 10 Tagesklinik-Plätze für teilstationäre Behandlung ausschließlich auf den Bereich Geriatrie spezialisiert hat.

Es gibt also eine hervorragende Versorgung in den Ballungsgebieten, es gibt aber auch tendenziell eine Unterversorgung im ländlichen Raum des mittleren und des nördlichen Saarlandes.
Dieser Unterversorgung müssen wir mit gut durchdachten Konzepten entgegentreten. In vielen Gesprächen habe ich mich in den letzten Monaten informiert, was und wie die Menschen in der Mitte des Saarlandes und in den nördlichen Landesteilen denken. Ich habe mich aber auch mit unterschiedlichen Fachleuten unterhalten, um mein Bild abzurunden.
Ein Vorschlag, den mein alter Freund Alfons Vogtel ins Spiel gebracht hat, ist dabei nicht ohne Reiz. Er könnte eine von mehreren Alternativen sein, die bedacht werden sollten. DAs habe ich auf Nachfrage auch gegenüber dem SZ-Chefreporter Michael Jungmann zum Ausdruck gebracht: Ein kleineres Krankenhaus mit vielleicht um die 50 bis 60 stationären Betten und einem breit aufgestellten teilstationären und ambulanten Angebot in Wadern könnte, getragen von mehreren Partnern,  unter bestimmten Voraussetzungen die Versorgung im Nordsaarland sinnvoll ergänzen. Die SZ hat darüber berichtet.
Ob man dies nun Medizinisches Versorgungszentrum Plus oder Poliklinik oder Portalklinik oder wie auch immer nennen mag: Das Etikett wird nicht das Entscheidende sein, sondern ausschließlich die Frage: Schaffen wir es, die medizinische Versorgung im Nordsaarland und insbesondere im Hochwald nachhaltig zu verbessern und schaffen wir ein Angebot, dem die Menschen vertrauen und das sie nutzen?
Die Krankenhäuser vor Ort haben - auch wenn sie nicht so viele Betten haben oder eine Maximalmedizin anbieten können - einen ganz großen Vorteil der auch der Genesung kranker Menschen zuträglich ist: Echte Patientennähe!

Gesundheitsministerin Monika Bachmann befindet sich derzeit mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitten in einem sogenannten Interessensbekundungsverfahren unter der Überschrift "Nordsaarlandklinik". Wie die Ergebnisse letztlich sein werden, bleibt abzuwarten.
Eines darf jedoch nicht passieren: Ein noch stärkerer Verdrängungswettbewerb im Norden und der Mitte des Saarlandes darf nicht entbrennen. Wir brauchen die bestehenden Standorte
Ich vertraue Monika Bachmann und bin sicher, dass unter ihrer Moderation eine gute und eine tragfähige Lösung gefunden werden kann. 
Dass gelingt ihr aber nicht alleine. Weil Monika Bachmann eine engagierte Gesundheitsministerin, aber keine Wunderheilerin ist, braucht sie Gesprächspartner, die ihre Karten offen auf den Tisch legen, die aufeinander zugehen und an einem partnerschaftlichen Miteinander für die beste medizinische Versorgung interessiert sind. 
Nur wenn wir die medizinische Versorgung im Saarland gemeinsam als Daseinsvorsorge begreifen, können wir auch dauerhaft Strukturen schaffen und erhalten, die weder bei akuten Notfällen noch bei Katastrophen oder Pandemie wackeln oder wanken.

Dazu gehört es auch, dass Pflegekräfte nicht überfordert werden, dass Ärzte und Pflegepersonal zwingend gute deutsche Sprachkenntnisse haben müssen und dass die Fallpauschalen so angepasst werden, dass die guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken und Krankenhäusern auch gut bezahlt und Überstunden und Zusatzdienste angemessen vergütet werden, ohne dass gleichzeitig Personal auf ein Minimum reduziert wird und die individuelle Belastung noch weiter steigt. Pflegende brauchen auch die Zeit, um den kranken Menschen zuhören zu können.

Gemeinsam schaffen wir es, aus dem Kammerflimmern in der saarländischen Krankenhauslandschaft wieder zurück zu einem kräftigen Pulsschlag zu finden.
Daran glaube ich.


P.S.: Sie wollen auch noch wissen, wie wir den Investitionsstau in unseren Krankenhäusern auflösen können?
Lassen wir doch einfach den Solidaritätszuschlag für vier Jahre weiterlaufen und verteilen ihn nach dem Königsteiner Schlüssel an die Bundesländer.
Das wären für das Saarland vier mal 189 Millionen Euro - also rund 750 Millionen Euro zusätzlich und zweckbezogen. Damit ließe sich etwas anfangen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen