Dass die SPD gestern im Saarländischen Landtag eine Gesetzesänderung für mehr Schutz für Kinder vor Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung bereits in erster Lesung abgelehnt hat, schlägt Wellen weit über das Saarland hinaus. Der Deutsche Kinderverein e.V. zeigte sich in einer ersten Stellungnahme schockiert:
"Ärztehopping wird es auch im Saarland geben und verlängert das Leid mancher Kinder. Es ist unverständlich, dass die SPD heute im Landtag dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt hat. Mag sein, dass der Entwurf der CDU Lücken aufwies. Dann aber stellt sich die Frage, warum man nicht die Thematik in einen Ausschuss gegeben hat und entsprechende Experten anhört. NRW hat sich dazu entschlossen und entsprechend umgesetzt. Weitere Länder müssen folgen. Kein guter Tag für den Kinderschutz im Saarland."
„Ich schäme mich heute in meiner parlamentarischen Seele“, sagte meine Kollegin Dagmar Heib gestern im Landtag zur Ablehnung unseres Antrages für eine Verbesserung des Kinderschutzes. Sie habe so etwas in ihrer parlamentarischen Zeit noch nicht erlebt.
Und auch bundesweit herrscht unter vielen Experten und Fachleute aus dem Bereich des Kinderschutzes völliges Unverständnis über die Entscheidung der SPD, mit ihrer Mehrheit das wichtige Gesetz zur Vermeidung von Ärzte-Hopping und Kindeswohlgefährdung zu verhindern.
"Kein guter Tag für den Kinderschutz im Saarland", schrieb beispielsweise der Deutsche Kinderverein e.V. in den Sozialen Netzwerken. Der Bochumer Verein Kinderseelenschützer e.V., der ebenfalls bundesweit tätig ist, postete: "Unfassbar!"
Die Sprecherin der CDU in der Kinderschutzkommission des Landtags Nordrhein-Westfalen Christina Schulze Föcking (MdL) machte deutlich: "Es ist mir unbegreiflich, warum die SPD im Saarland diesen wichtigen Gesetzentwurf unserer Kollegen der CDU Saar so abschmettert... Den Schritt, einen interkollegialen Ärzteaustausch im Verdachtsfall zu ermöglichen, sind wir in NRW bereits gegangen. Und es ist wichtig, dass andere Bundesländer nachziehen!"
Auch Roman Simon (MdA) der kinderschutzpolitische Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, zeigte sich maßlos enttäuscht: "Um Kinderschutz kümmern sich die allermeisten Eltern, Ärzte, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendämtern und freien Trägern der Jugendhilfe, Polizei Berlin, Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V., Innocence In Danger Deutschland, Der Kinderschutzbund Bundesverband und viele, viele mehr.
Gut, dass sich die CDU - auch im Saarland wie in den anderen Bundesländern - ebenfalls dafür stark macht. Leider interessiert sich nur die SPD nicht dafür und lehnte heute im saarländischen Landtag mal wieder einen konstruktiven Vorschlag der Union ab."
Die SPD hat dem Kinderschutz im Saarland gestern einen Bärendienst erwiesen. Unser Antrag, bei dem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung einen interkollegialen Austausch insbesondere zwischen Kinderärzten zu ermöglichen, beruhte auf der Expertise von Fachleuten für den Kinderschutz aus dem gesamten Bundesgebiet.
Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Rheinland-Pfalz haben die Landtag längst vergleichbare Gesetzentwürfen einstimmig zugestimmt - also auch mit den Stimmen der jeweiligen SPD!
Im Saarland erwiesen sich die Parlamentarier der SPD mit dem Thema überfordert, versuchten in Ermangelung von Argumenten wortreich ihre Ablehnung zu begründen.
Und die schlechteste Figur gab der neue Sozialminister Magnus Jung ab, der ganz offensichtlich die Mitglieder seiner Fraktion im Vorfeld dazu gedrängt hatte, unseren Antrag abzulehnen.
Zu sagen, seine Rede sei inhaltsleeres Geschwurbel gewesen, wäre noch übertrieben. Es ging der SPD gestern einzig und allein darum, einen guten Antrag der CDU abzulehnen. Es ging ihr um den Beweis: "Wir haben die absolute Mehrheit. Wir können das."
Dass durch ihre Entscheidung möglicherweise Kinder länger leiden müssen und Fälle von Missbrauch und Misshandlung möglicherweise unentdeckt bleiben, spielte dabei keine Rolle.
Mir war dieser Antrag ein Herzensanliegen. Ich hätte im Vorfeld der Landtagsdebatte zu keinem Zeitpunkt auch nur im Ansatz erwartet, dass abgelehnt werden könnte. Umso größer war meine Enttäuschung und mein Unverständnis, die ich, nachdem ich unseren Antrag zu Beginn des Tagesordnungspunktes begründet hatte, in einem zweiten Debattenbeitrag nach den Reden der SPD auch unverhohlen deutlich machte.
Wer sich auch nur ein bisschen ernsthaft mit dieser schwierigen Thematik beschäftigt, kann ermessen, wie dringend auch diese gesetzliche Regelung gewesen wäre.
Experten und Kinderschutzverbände hatten sich in den vergangenen Jahren bundesweit dafür eingesetzt und dafür gekämpft, die bisherige absurde Rechtssituation zu ändern. Bisher konnten Sorgeberechtigte und potentielle Misshandler, die engen Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht und des Datenschutzes dazu benutzen, ihren Missbrauch und ihre Misshandlungen an Kindern zu vertuschen. Eine Öffnungsklausel im durch die Bundesregierung verabschiedeten KJSG (Kinder und Jugendstärkungsgesetz) erlaubt es jetzt den Bundesländern, diese absurde Rechtssituation zu beenden. Ärzte wird ermöglicht frühzeitiger Kindesmisshandlungen festzustellen oder auszuschließen.
Ein Meilenstein beim Kinderschutz - der in anderen Bundesländern bereits Gesetz ist.
Im Saarland ist er an den Abgeordneten der SPD, namentlich auch an den Rednerinnen und Rednern des gestrigen Tages gescheitert. An Sozialminister Dr. Magnus Jung, an der Abgeordneten Réka Klein und an der Abgeordneten Christina Baltes. Auch der Wiesbacher SPD-Abgeordnete Stefan Löw lehnte den Gesetzentwurf für einen besseren Schutz von Kindern vor Kindesmissbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung ab.
Auf meine Frage an Réka Klein, ob das, was sie wortreich in ihrer Rede erklärte, auch das sei, was ihr Herz sagt - was ihr Herz sagt, wenn es um Kinder geht - blieb sie die Antwort schuldig.
Der Verein "RISKID - Ärzte im Kinderschutz" schrieb vor wenigen Wochen: "Es ist ein Meilenstein für den Kinderschutz. Mit der Verabschiedung des Landesgesetzes durch den Landtag NRW am 23.März 2022 übernimmt NRW eine Vorreiterrolle. Jetzt müssen die anderen Bundesländer folgen."
Nun ist klar: Die SPD hat verhindert, dass das Saarland folgen kann.
Ein Offenbarungseid in Sachen Kinderschutz!
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