Montag, 10. Januar 2022

Bei der Impfpflicht muss der Kanzler Farbe bekennen.

"Wo ist Scholz?" lautet eine Frage, die nicht nur in Sozialen Netzwerken seit der Wahl immer öfter auftaucht. Auch die Medien setzen sich zunehmend kritisch damit auseinander, dass der Bundeskanzler sich in vielen aktuell wichtigen Fragen weg duckt. Statt von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, statt Voran zu gehen und eine Richtung vorzugeben, schweigt die Regierungsspitze oder versucht in völlig unüblicher Weise sich um Gesetzesvorlagen zu drücken. Das gilt zum Beispiel auch bei einer möglichen Impfpflicht: Scholz selbst hat sie bereits im November gefordert und wollte, dass sie bis März in Kraft tritt. Alle Fragen dazu aber lässt er völlig ungeklärt. Weil er seine Regierung nicht unter einen Hut kriegt, will er keinen Gesetzentwurf vorlegen und verhindert so, dass zeitnah eine sachliche Debatte darüber stattfinden kann, wie er sich eine Impfpflicht überhaupt vorstellt. Dabei wäre diese Debatte unendlich wichtig: Denn die Entscheidung über eine Impfpflicht ist weder verfassungsrechtlich, noch ethisch, noch politisch trivial.

Für mich war es selbstverständlich, mich impfen zu lassen. Ich habe mich eingehend mit SarsCoV2, mit Covid-19 und auch mit den Impfstoffen und ihren Wirkweisen beschäftigt und ich bin zutiefst überzeugt, dass das Impfen der einzige Weg ist, sich vor schweren Verläufen der Erkrankung zu schützen.
Jens Spahn hatte es zugegebenermaßen sehr drastisch ausgedrückt, als er sagte, am Ende dieses Winters sei jeder in Deutschland "geimpft, genesen oder gestorben". Und auch wenn ich vielleicht nicht einen so engen Zeitraum wie "bis zum Ende des Winters" gewählt hätte: Grundsätzlich muss ich ihm Recht geben. Von Variante zu Variante scheint die Übertragungsgeschwindigkeit zu steigen und damit das Risiko einer Infektion auch für die, die sich bisher noch erfolgreich schützen konnten.

Ich habe Covid in meinem Freundes- und Bekanntenkreis erlebt. Und das nicht nur einmal. Leider auch mit schweren Verläufen, mit anhaltenden Folgen und auch mit Todesfällen. 
Für mich und auch für meine Familie stand es deshalb völlig außer Frage, dass am Ende einer sorgfältigen Risikoabwägung und wenn keine wirklichen medizinischen Gründe dagegen sprechen, nur die Impfungen der vernünftigste, der nachhaltigste und letztlich auch der einzige Weg sind, um sich so gut wie möglich selbst vor einem schweren Verlauf dieser tückischen Erkrankung zu schützen.

Dass mittlerweile mehr als 88 Prozent der über 18jährigen im Saarland und auch schon fast 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Saarland vollständig geimpft sind und auch schon die Hälfte aller Saarländerinnen und Saarländer sogar bereits ihre Auffrischimpfung erhalten haben, zeigt mir, dass der weit überwiegende Teil der Menschen im Saarland so denkt wie ich und daran mitarbeitet, die Pandemie solidarisch zu bekämpfen. Für die Saarländerinnen und Saarländer bräuchte es also gar keine Impfpflicht, die über eine berufliche Notwendigkeit hinausgeht.
Aber: Das Saarland ist keine Insel.

Es ist bislang jedermanns eigene Entscheidung, sich impfen zu lassen oder nicht. Aber sich nicht impfen zu lassen ist nicht vernünftig und gefährdet andere Menschen. Ich werfe niemandem vor, dass er das noch nicht erkannt hat.
Denn in vielen Medien wurde und wird noch immer über abweichende Einzelmeinungen von Wissenschaftlern ebenso breit berichtet, wie über den Konsens einer wirklich breiten Mehrheit in der Wissenschaft und evidenzbasierten Fakten. Und dann reden wir noch nicht einmal von den gefährlichen Schwurblern in undurchsichtigen Netzwerken, denen manche noch immer auf den Leim gehen.
Das alles verunsichert. 

Das Ergebnis: Es gibt Bundesländer, dort sind noch fast vierzig Prozent der Menschen ungeimpft. Sachsen zum Beispiel. Und gerade mal ein Drittel der Bevölkerung hat dort bislang eine Auffrischimpfung erhalten.
Jeder Ungeimpfte aber trägt ein signifikant höheres Risiko auf einer Intensivstation zu landen, als Menschen mit dem vollem Impfschema.
Und damit sind sie es auch, durch die eine Überforderung unseres Gesundheitssystems droht.
Und nein: Nicht, weil das Gesundheitssystem ganz grundsätzlich schlecht wäre. Das ist Bullshit. Aber die Pflegenden, die Ärztinnen und Ärzte, das gesamte Personal in den Krankenhäusern hat längst die Grenze der persönlichen Leistungs- und auch der persönlichen Leidensfähigkeit erreicht und überschritten.

Also bliebe nur eine Impfpflicht. Sagen sechzehn Bundesländer und eigentlich auch die Bundesregierung.
Das was Tobias Hans völlig zu Recht als ultima ratio bezeichnet hat, weil wir hier im Saarland alles, wirklich alles getan haben um eine Impflicht zu vermeiden und dabei gemeinsam mit den aller-  und allermeisten Saarländerinnen und Saarländern auch erfolgreich waren, muss nun ernsthaft diskutiert werden.
Denn andere waren es nicht.
Das ist so, damit müssen wir leben und darum muss nun auch die "ultima ratio" zumindest sorgsam vorbereitet werden. Es müssten Fragen geklärt werden wie zum Beispiel:

Wer muss, wer sollte in jedem Falle geimpft werden?
Weitere Berufsgruppen? Bestimmte Altersgruppen?
Wie oft muss geimpft werden und sollten nicht auch schon Auffrischimpfungen mitgedacht werden?
Und ist die Auffrisch- oder Boosterimpfung überhaupt noch eine Auffrischimpfung und nicht schon längst - wie bei der Impfung gegen andere Krankheiten - Teil einer Dreifachimpfung?
Wie soll und wie kann die Pflicht überhaupt kontrolliert, wie kann sie im Einzelfall durchgesetzt werden?
Auch eine Frage, die Hermann Scharf und ich gestern im Gesundheitsausschuss gestellt haben, muss beantwortet werden: Brauchen wir ein Impfregister?
Und wenn ja: Soll es in erster Linie der Impfkontrolle oder nicht vielmehr doch dem Patientenschutz dienen?
Und der Datenschutz? Warum ist der noch weit mehr als eine heilige Kuh, wenn doch so vieles andere, das uns wichtig sein muss, längst eingeschränkt ist?

An dieser Stelle wäre deshalb nun bundesweit Führung gefragt.
Aber wo bleibt sie?

Die Bundesregierung mit ihrem gesamten Apparat vom Bundeskanzleramt über das Justizministerium bis selbstverständlich hin zum Gesundheitsministerium hätte nun wichtige Fragen zu klären.
Dort sitzen die Fachleute, die Experten.
Die, die dafür bezahlt werden um Notwendigkeiten zu prüfen, Lösungen vorzuschlagen, tragfähige und juristisch nicht angreifbare Formulierungen zu finden und letztlich dann die komplexen Gesetzesvorhaben den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und dem Bundesrat zur Beratung vorzulegen.
Die Einführung einer allgemeinen oder zumindest einer weitgehenden Impfpflicht ist eine Entscheidung von nationaler Tragweite und sie muss bis ins Detail hinein vorbereitet sein. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine solche Entscheidung nun über Gruppenanträge quer aus dem ganzen Bundestag getroffen werden soll!

Aber doch: Bundeskanzler Scholz macht das, was nicht wenige schon befürchtet haben.
Er duckt sich weg. Er taucht unter. Er bleibt bei seinen Äußerung zum Thema im Ungefähren.
Wie schon bei der Aufarbeitung des G-20-Gipfels. Beim CumEx-Skandal. Oder bei Wirecard.
Das ist keine "Politik der ruhigen Hand" wie bei Angela Merkel. Das ist Aussitzen. Das ist Nichtstun. 
Es ist die schiere Handlungsunfähigkeit.
Das ist nicht akzeptabel und deshalb wären neben der SPD selbst auch die Koalitionspartner gefragt, hier nun eine klare Kante zu zeigen. Aber auch die Kubickis und die Baerbocks, die Habecks und die Lindners sind uneins.
Und warten. Und warten. Und warten.

Bis wann? Bis der Frühling die Inzidenzen vielleicht sinken lässt und man alles bis zur nächsten Welle im Herbst 2022 vertagen kann? Um dann erneut auf den Frühling zu warten?
Dazwischen sterben Menschen. Vielleicht nicht an Corona. Aber vielleicht wegen Corona.
Weil kein Intensivbett mehr frei ist, wenn die Rettungswagen Menschen mit Herzinfarkt, mit Schlaganfall oder nach einem Autounfall in die Klinik einliefern wollen.
Male ich den Teufel an die Wand? Nein.
Es gibt Regionen in Deutschland, da ist genau das bereits traurige Realität.
Deshalb ist die Frage berechtigt:

WO IST SCHOLZ?





















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