Unsere Sprache ist im Fluss, entwickelt sich weiter - und ist immer auch Gegenstand von Diskussion. Nicht ohne Grund richtet sich der Fokus von Sprachwissenschaftlern alljährlich auf vieles, was mit Sprache zu tun hat. Und damit die Öffentlichkeit jeweils diese Arbeit auch wirklich wahrnimmt, braucht es immer einen Aufhänger - und das geht am besten, wenn dieser Aufhänger möglichst plakativ ist, im besten Falle sogar noch eine Botschaft damit verbunden werden kann und das Ganze schließlich für Diskussionen sorgt.
Gewählt oder auserwählt werden deshalb unter anderem das "Wort des Jahres" und das "Unwort des Jahres" und auch das "Jugendwort des Jahres".
Ebenfalls einen Fokus auf unsere Sprache richtet die Sprachzeitung Deutsche Sprachwelt. Allerdings tut sie es auch einem etwas anderen Blickwinkel: Die Sprachwelt lässt ihre Leserinnen und Leser nämlich auch in diesem Jahr wieder den "Sprachwahrer des Jahres" wählen.
Nominiert sind dafür z.B. der Präsident von Union Berlin Dirk Zingler, die Karl-May-Gesellschaft, ein Mitarbeiter des Automobilkonzerns VW und das Aktionsbündnis Märchenland sowie auch der große Sprachkritiker und Sprachstillehrer Wolf Schneider, der 97jährig vor wenigen Wochen in Starnberg verstorben ist.
Ausgezeichnet werden als "Sprachwahrer des Jahres" immer wieder Menschen, die sich auf die eine oder andere Art für die Deutsche Sprache als Kulturgut engagieren oder eine Lanze für sie brechen.
Die Abstimmung endet am 31. Januar 2023
Dass Sprache sich weiterentwickelt war schon immer so. Daran ist auch überhaupt nichts auszusetzen. Es entstehen neue Wörter und Redewendungen, anderes wird weniger benutzt oder gerät vielleicht sogar in Vergessenheit.
Wer erinnert sich z.B. daran, dass man früher den Schwiegersohn auch als Eidam bezeichnete oder dass es einmal Blindenanstalten gab?
Genauso konnte sich wohl vor zwanzig Jahren noch kaum jemand vorstellen, dass "spoilern" irgendwann bedeuten würde, dass man z.B. Handlung und Ende eines Filmes oder Buches vorab verrät und es keineswegs etwas mit Auto-Tuning zu tun hat.
Das alles ist normale Sprachentwicklung und wird zu recht vom Duden immer wieder nachgezeichnet. Wörter und Begriffe werden - je nachdem - durch die Duden-Redaktion gestrichen oder hinzugefügt. So wuchs der Duden 2020 um satte 3000 Wörter, obwohl es natürlich auch dieses Mal wieder welche gab, die gestrichen wurden.
Nichts zu tun hat all das allerdings mit dem Drang mancher, der breiten Gesellschaft eine veränderte Sprache aufzwingen zu wollen.
Ich halte es nicht für richtig, dass beispielsweise Klassiker der Literatur umgeschrieben werden sollen, nur weil die dort verwandte Sprache oder einzelne Wörter und Begriffe einem heutigen Zeitgeist nicht mehr entsprechen.
Es vielmehr die Aufgabe unseres Bildungssystems in seiner Gesamtheit, dass man Menschen in die Lage versetzt, Texte sprachlich und inhaltlich in den Kontext ihrer Zeit einzuordnen.
Gleiches gilt auch für das, was heute gemeinhin unter dem Begriff "Gendern" zu verstehen ist. Unsere Sprache hat durchaus auch schon jetzt ihre Möglichkeiten, weitestgehend geschlechtergerecht formulieren zu können - auch ohne den Sprachfluss störende Sternchen, Unterstriche und große Binnen-I's oder merkwürdig anmutende Ypsilon-Endungen.
Umso wichtiger ist das Zeichen, das jedes Jahr die Sprachzeitung "Deutsche Sprachwelt" mit der Wahl des "Sprachwahrers des Jahres" setzt.
In den vergangenen Jahren erhielten unter anderem Dieter Hallervorden (2021), die Kabarettistin Monika Gruber (2014), Loriot (2011), der gerade verstorbene Papst Benedikt XVI. (2005) und der Schriftsteller Reiner Kunze (2002) die Auszeichnung "Sprachwahrer des Jahres).
Ich bin gespannt, wer in diesem Jahr das Rennen macht - und ob die Entscheidung auch in diesem Falle wieder für Diskussionsstoff sorgen wird.
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