Mittwoch, 7. April 2021

Made in Germany: Deutschland muss wieder zur "Apotheke der Welt" werden!

Es ist eine Tatsache, die ich nicht erst seit gestern und heute kritisiere: In unserer globalisierten und vernetzten Welt in der nicht mehr nur für die Fabriken "just in time" gilt, sondern in der auch Otto Normalverbraucher erwartet, dass der Bote mit bestellter Ware spätestens am nächsten Tag vor der Haustür steht, darf nichts dazwischen kommen. Lagerhaltung? Das war vorgestern.
Heute soll nur noch im Lager (oder im heimischen Keller) herumstehen und liegen, was auch direkt verbaut, verbraucht oder konsumiert wird. Das ist in der Industrie so, das gilt mittlerweile meist auch im Handwerk. Und auch in der Apotheke nebenan heißt es immer öfter: "Das muss ich bestellen, es ist aber heute Nachmittag da." 
Mit etwas Glück ist es dann ein Produkt, das entweder in Deutschland hergestellt wurde oder das zumindest beim Groß- oder Zwischenhändler geparkt ist - und alles klappt tatsächlich wie am Schnürchen.
Bricht aber ein Lieferweg zusammen - sei es wegen einer Pandemie, eines schweren Unwetters oder eben wegen eines gestrandeten Containerschiffs im Suezkanal - sind die Lager schneller leer, als man gucken kann. Und das fragile System bricht zusammen.


Gerade im Gesundheitsbereich treibt mich dieser Missstand am meisten um. Es gab Zeiten, als Arzneimittelforschung, -entwicklung und -produktion ein Aushängeschild unseres Landes waren. Forscher- und Erfindergeist ergänzten sich mit einer verbreiteten Gründermentalität und sorgten dafür, dass Deutschland im ausgehenden 19. und weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein als "die Apotheke der Welt" galt.
Irgendwann aber, so mein Eindruck, wechselte diese Mentalität. Und auch wenn noch lange nicht der Slogan "Geiz ist geil" erdacht war, so übernahmen nach der Gründergeneration die sogenannten Manager das Zepter, umgaben sich mit Unternehmensberatern und setzten nicht mehr auf Zuverlässigkeit, Fleiß und Ideenreichtum ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auf Kostenminimierung. "Lean Management" war angesagt.
Man ersann den Euphemismus "Freistellen", wenn man die treuen Arbeitskräfte auf die Straße setzte und die Produktion nach Fernost verlegte, wo "Human Capital" noch billig zu haben war.  

Diese Entwicklung, die insbesondere ab den Siebzigern an Fahrt gewann, rächt sich nun: Die weltweite Pharmaindustrie hat sich in eine Abhängigkeit von vergleichsweise wenigen Herstellern in Indien und China begeben, während vor der eigenen Haustür mit dem Gründergeist, den Fachkräften und ihren Arbeitsplätzen auch viel an Wissen und Knowhow verloren ging.
Die Pharmakonzerne in Deutschland und Europa lassen ihre in Pillen und Tabletten gepressten Wirkstoffe und vieles andere meist in Indien herstellen, die Vorprodukte dafür kommen meist aus China.
Bis zu 90 Prozent der global benötigten Basiswirkstoffe für Antibiotika kommen angeblich zwischenzeitlich aus China - während sich fast alle großen Pharmakonzerne in Deutschland und Europa vollständig aus der Antibiotika-Forschung zurückgezogen und damit auch ihre Innovationskraft im Kampf gegen Krankenhauskeime verloren haben.
Aber das ist ein anderes, ein ebenfalls abendfüllendes Thema.

Die Wege also, die ein Medikament oder die andere Medizinprodukte während ihrer Herstellung bis hin zum Endverbraucher nehmen, erstrecken sich nicht selten über mehrere Kontinente und Subkontinente. Die Verlagerung der Produktion, die Abhängigkeit von einigen wenigen Herstellen in Fernost, die just-in-time-Lieferketten und die weiten Lieferwege machen das ganze System so zerbrechlich und anfällig, wie ich es eingangs beschrieben habe und wie es jetzt auch in der Pandemie noch deutlicher zu Tage trat.
Dagegen hilft nur ein radikales Umsteuern - und zwar in den Chefetagen der Pharmaindustrie ebenso, wie in bei Krankenkassen und vor allem auch in der Politik. DASEINSVORSORGE heißt das Wort, das wieder groß geschrieben werden muss. Hier müssen alle an einem Strang ziehen.

Herstellung, Forschung, Entwicklung und Lagerhaltung zurück nach Deutschland und in die EU


Für den Arzneimittel- und Medizinproduktebereich bedeutet das: 
  • Die Produktion muss zumindest teilweise zurück nach Europa geholt werden!

  • Die Krankenkassen müssen bei ihren Rabattverträgen für jeden Wirkstoff und für jedes medizinische Produkt mindestens zwei oder drei Hersteller gleichzeitig berücksichtigen, von denen wiederum mindestens einer eine Produktion in Europa garantieren soll.

  • Die Bundespolitik muss die hierfür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen neu festlegen und gleichzeitig durch Veränderungen bei der Unternehmensbesteuerung dafür sorgen, dass es sich lohnt, wieder in Forschung und Entwicklung vor Ort zu (re-)investieren und Deutschland wieder zu einem Innovationsstandort gerade auch im Arzneimittel- und Medizinproduktebereich zu machen.

  • In den Bundesländern müssen zentrale Lager- und Versorgungseinrichtungen für Arzneimittel und medizinische Produkte aufgebaut werden. Neue Technologien müssen dafür genutzt werden, dass einerseits stets ein Vorrat vorhanden ist, andererseits aber auch ein stetiger Umschlag der Produkte dafür sorgt, dass die Haltbarkeiten nicht überschritten werden.
    Gleichzeitig sollen auch in diesem Zusammenhang Kooperations- und Lieferverträge insbesondere mit lokalen und regionalen Unternehmen dafür sorgen, dass die Versorgung mit medizinischen und pharmazeutischen Produkten auch in Krisenzeiten und Ausnahmesituationen aufrecht erhalten werden kann.
    Für entsprechende Modellprojekte sollen Bundesregierung und EU entsprechende Förderprogramme auflegen.







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