Dienstag, 23. August 2022

Ravensburger und die Schere im Kopf

Er dürfte wohl das aktuell prominenteste Opfer eines gefährlichen Trends sein, der immer weiter um sich greift: Winnetou, der Häuptling der Apachen. 
Als Romanfigur von Karl May erdacht, kämpft er in Büchern und Filmen für das Gute und für das Miteinander der unterschiedlichen ethnischen Gruppen, die seinerzeit den "Wilden Westen" bevölkerten. Und natürlich auch gegen jene, die genau dieses Miteinander aus Eigennutz verhindern wollten.
Wer hatte als Kind nicht Tränen in den Augen, als sich Winnetou im Kampf gegen Banditen heldenhaft in die Schussbahn warf und ihn jene Kugel tödlich verwundete, die eigentlich für seinen Blutsbruder Old Shatterhand gedacht war? 
Der Spiele- und Kinderbuchverlag Ravensburger lässt Winnetou nun ein weiteres Mal sterben.
Aber nicht heldenhaft sondern in höchstem Maße unrühmlich und aus Angst vor dem Shitstorm jener, die meinen, die Welt verbessern zu müssen indem sie Kultur und Sprache zensieren. 


Parallel zu dem neuen Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou", der aktuell in den Kinos läuft und die Kinder begeistert, ließ der Verlag Ravensburger auch eine Kinderbuchreihe drucken - und nahm selbige jetzt wieder vom Markt, weil die Geschichten darin "verharmlosende Klischees" enthielten.
Als die Entscheidungen fielen, die Bücher herauszugeben, sie zu drucken, sie auszuliefern, war von alledem noch nichts zu spüren, obwohl der Verlag hinterher schrieb: "Unsere Redakteur*innen beschäftigen sich intensiv mit Themen wie Diversität oder kultureller Aneignung."
Das ist natürlich - mit Verlaub - absoluter Bullshit. Denn wenn das so wäre, hätte man nicht stolz die neuen Kinderbücher präsentiert um dann hinterher vor einem lauten aber weitestgehend anonymen Mob in den sogenannten Sozialen Netzwerken einzuknicken.

Es ist ein gefährliches Spiel, auf das sich das 1883 gegründete und eigentlich sehr renommierte Unternehmen da eingelassen hat: Literatur wird auf diese Weise immer mehr gefesselt und geknebelt. Immer mehr Autoren werden künftig nur noch mit einer Schere im Kopf schreiben und damit eine Selbstzensur betreiben müssen, die unsere Kultur, die unsere Literatur, die unsere Phantasie verarmen lässt.

Wenn Ravensburger es vor diesem Hintergrund ernst meint, müssten die neuen Maßstäbe auch für andere Produkte des Verlages gelten und man muss sich fragen:
Wieso gibt es in dem Spiel "Der zerstreute Pharao" beispielsweise dann keine Hinweise auf die Sklaverei im alten Ägypten, die den Bau der Pyramiden in dieser Form erst möglich gemacht hat?
Und darauf, dass die Schätze des Pharao, die es im Spiel zu finden gilt nur durch Gewalt und Unterdrückung angehäuft werden konnten?

Die Antwort ist einfach:
Das Spiel ist nur ein Spiel.
Nur darum geht es, nur das ist wichtig.

Und genau so ist es auch bei den Winnetou-Büchern die jetzt nicht veröffentlicht werden sollen. Wie schon ihre Vorgänger von Karl May sind die Geschichten reine Erfindung. 
Es sind Märchen.
Sie erheben keinerlei Anspruch, Zeitzeugenberichte zu sein oder journalistisch einst Geschehenes aufarbeiten zu wollen.
Sie dienen der Zerstreuung.
Und ja: Sie dienen auch dazu, schon kleine Kinder zum Lesen zu begeistern.

Ravensburger schreibt selbst auf seinen Internetseiten über sich: 
"Die Ravensburger AG ist eine internationale Unternehmensgruppe mit mehreren renommierten Spielwarenmarken. Ihre Mission lautet: „Wir inspirieren Menschen zu entdecken, was wirklich wichtig ist.“

Mit der Entscheidung, einer laut pöbelnden Minderheit zu folgen und Bücher in der Versenkung verschwinden zu lassen, hat Ravensburger bei seiner eigenen Mission kläglich versagt.


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