Es wird immer schlimmer: Der extreme Medikamentenmangel verharrt auf hohem Niveau! Mittlerweile fehlen bereits über 500 Arzneimittel!
Die bisher halbherzig ergriffenen Maßnahmen des Bundesgesundheitsministers zeigen, wie von Fachleuten erwartet und wie auch von mir befürchtet, überhaupt keine Wirkung. Wir steuern sehenden Auges erneut auf eine krisenhafte Arzneimittelversorgungslücke im Herbst und Winter zu.
Nun trifft die mittlerweile bereits als skandalös zu bezeichnende Situation auch Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen, denn bereits seit Wochen ist das Antidepressivum "Fluoxetin" nicht mehr lieferbar. Es ist der einzige Wirkstoff, der in dieser Altersgruppe bei depressiven Störungen zugelassen ist. Der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie schlägt deshalb nun ebenfalls Alarm und warnt: "Patienten sind massiv in Gefahr. Es geht um schwere depressive Störungen, nicht selten sind Suizidgedanken damit verbunden", sagt die Vize-Vorsitzende Annegret Brauer der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung. Patienten seien auf einen gleichbleibenden Wirkstoffspiegel angewiesen. Mit einer Absetzung würden Patienten in "alte Ängste zurück rutschen, von negativen Gefühlen durchflutet werden und sich wieder verkriechen", so Brauer. Das werfe den Therapieprozess enorm zurück.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass nun auch endlich der saarländische Gesundheitsminister Dr. Magnus Jung auf die anhaltenden Probleme aufmerksam geworden ist und sich im Rahmen eines "Apothekenpraktikums" pressewirksam mal vor Ort ein eigenes Bild von der Situation gemacht hat.
Es hat lange genug gedauert. Im Februar noch schrieb die Landesregierung in der Antwort auf meine entsprechende Parlamentarische Anfrage allen Ernstes, ihr lägen keine Hinweise auf einen generellen Medikamentenengpass vor!
Dass die Zahl der Lieferengpässe in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist, räumte die Landesregierung zwar auch damals schon ein, betonte aber gleichzeitig, dies sei jedoch eine Angelegenheit, mit der sich allein andere zu beschäftigen hätten, vor allem der Bund.
So richtige Ideen, wie man der Krise aber begegnen kann, hat der saarländische Gesundheitsminister allerdings noch immer nicht. Das spiegelt sich in der Berichterstattung über sein "Apothekenpraktikum" leider erneut wieder.
Dabei müsste er nur zuhören. Das von mir schon im Mai vorgeschlagene zentrale Umschlaglager könnte mittel- und langfristig die Apotheken und Kliniken bei der Beschaffung entlasten. Bis in die 1980er-Jahre gab es eine Lagerhaltung als ein Teil der Daseinsvorsorge. Heute gibt es keine Lager mehr für Arzneimittel, für Medikamente, für medizinisches Zubehör.
Man könnte wieder etwas aufbauen: Ein Lager von Arzneimitteln, Medikamenten und medizinisches Zubehör, in dem nicht nur gelagert, sondern auch umgeschlagen wird.
Wenn viele Träger mitmachen, wir weitere Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung gewinnen, Kräfte bündeln und die Möglichkeiten der Digitalisierung engagiert nutzen, wird uns das gelingen.
Das Saarland könnte Vorreiter und gutes Beispiel werden.
Heute Abend war ich in einer Videokonferenz zum Thema. Und nun raten Sie mal, was in dieser Konferenz beispielsweise der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV) gefordert hat: Vorratszentren anlegen!
Er verwies dabei auf die sogenannte Senatsreserve in Berlin während des Kalten Krieges und darauf, dass wir die Gasspeicher ja auch füllen, um in der Not nicht nackig dazustehen.
Es ist an der Zeit, endlich damit anzufangen!
Deutlich schneller aber würde es wirken, wenn der derzeit noch amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach endlich auch die Initiative ergreifen würde, um das sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ein Stück weit zurückzudrehen. Es kann nicht sein, dass Medikamente auch deshalb nicht in Deutschland erhältlich sind, weil eine übertriebene enge Preispolitik dafür sorgt, dass dringend benötigte Medikamente in anderen europäischen Ländern erhältlich sind, nicht aber in Deutschland. Die von oben verordnete Preisgestaltung bei Medikamenten gilt als eine der Hauptursachen für die seit Jahren auftretenden und mittlerweile krisenhaften Versorgungsprobleme bei Medikamenten.
Gleichzeitig muss alles versucht werden, die Pharmaproduktion wieder nach Deutschland zurückzuholen. Eine gesicherte Arzneimittelversorgung ist ein elementarer Eckpfeiler der Daseinsvorsorge.
Deshalb müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir durch eine gezielte Strukturpolitik, das Setzen von Anreizen und die Diversifizierung von Lieferketten die Situation möglichst schnell verbessern können.
Langfristig muss es unser Ziel sein, durch eine gezielte Unterstützung bei der Eigenherstellung von Arzneimitteln sowie eine koordinierte Vernetzung von Apotheken, regionalen Pharma-Unternehmen, des Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), der Universität des Saarlandes sowie des Universitätsklinikums mittel- und langfristig das Saarland als Pharma-Standort weiter zu stärken und nachhaltig leistungsfähige Strukturen aufzubauen.
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