Gemeinsam mit meinen Fachkolleginnen und -kollegen aus den anderen Bundesländern und im Rahmen des Deutsch-Marokkanischen Dialogs der Konrad-Adenauer-Stiftung bin ich aktuell als umwelt- und klimapolitischer Sprecher unserer CDU-Landtagsfraktion auf einer Bildungsreise, einer Fachexkursion, in Rabat und Casablanca.
In den zahlreichen Gesprächen mit wichtigen Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor Ort offenbart sich die strategische Bedeutung des nordafrikanischen Landes für die europäische Energiewende, für das Saarland und insbesondere für die Umstellung der Stahlindustrie und es kristallisiert sich heraus: Aus dem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU kann eine Brücke zu einer nachhaltigen industrielle Kooperation werden, die auch bei uns in Deutschland und speziell im Saarland nicht nur Wertschöpfung hält, sondern neue zusätzliche Möglichkeiten bietet – wenn wir jetzt handeln.
Aber worum geht es denn hier überhaupt? Fangen wir mal vorne an:
1. Der europäische Rahmen und Marokkos Rolle
Die EU hat mit dem CBAM einen Mechanismus geschaffen, der Produkte, die in die Union importiert werden, bei hoher CO₂-Intensität mit Grenzausgleichen belegt. Der Gedanke dahinter: Verlagerung klimaschädlicher Produktion vermeiden („Carbon Leakage“) und faire Wettbewerbsbedingungen herstellen. Für Marokko heißt das: Zwar betreffen aktuell nur rund 4 % seiner EU-Exporte CBAM-relevante Sektoren (z. B. Düngemittel, Stahl, Aluminium, Zement, Strom), doch gerade sie bieten ein strategisches Fenster.
Wenn Marokko seine Dekarbonisierung aktiv nutzt — anstatt den CBAM nur als Belastung zu sehen — entsteht eine Chance für industrielle Modernisierung und vertiefte Partnerschaft mit Europa.
2. Drei Schlüsselbereiche für eine erfolgreiche Umstellung
Damit Marokko den CBAM nicht nur bewältigt, sondern als Chance auch im Sinne unserer eigenen Wirtschaft nutzen kann, braucht es mit Blick auf Europa drei miteinander verflochtene Elemente:
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Volle Anerkennung der marokkanischen Dekarbonisierungsbemühungen (z. B. das Ziel eines großen Minerals-/Düngemittelunternehmens, bis 2027 auf 100 % erneuerbare Energien umzusteigen) — auch im europäischen Grenzrahmen.
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Finanzierung: Für Modernisierung und klimafreundliche Produktionsprozesse müssen Exporteurinnen und Exporteure Zugang zu Kapital haben, unterstützt von vorhersehbaren EU-Regeln, die Investitionsrisiken mindern.
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Kooperation & Partnerschaft: Gemeinsame Projekte zwischen Marokko, Deutschland und der EU — etwa in erneuerbarer Energie, Wasserstoff und Standardisierung — können den CBAM von einer Handelsschranke in eine industrielle Brücke verwandeln.
3. Warum Finanzierung so zentral ist
Die Klimaziele sind massiv: Für eine Netto-Null-Emission bis 2050 wird eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um etwa 55 % bis 2030 gegenüber 1990 nötig. Allein im Energiesektor sind zusätzliche Investitionen von etwa 392 Mrd. €/Jahr erforderlich. Gleichzeitig müssten energieentwickelnde Länder in Afrika ihre Investitionen bis 2030 auf über 200 Mrd. US$/Jahr verdoppeln, damit Zugang zu moderner Energie und eine fristgerechte Umsetzung der nationalen Klimabeiträge (NDCs) gewährleistet sind.
Für Nordafrika und damit auch Marokko heißt das: Trotz großem Potenzial bleibt die Finanzierungslücke groß – sowohl im Bereich Energie als auch bei der Klimaanpassung (z. B. Wasser- und Landwirtschaftssektor). Nationale Strategien existieren, doch ihre Umsetzung ist oft unterfinanziert. Externe Mittel, auch aus der EU, sind vorhanden, aber nicht ausreichend mobilisiert.
Es bedarf deshalb innovativer Finanzmechanismen — öffentliche und private Kombinationen, nationale Klimafonds, Mobilisierung des Privatsektors, Vorbereitung von Projekt-Pipelines — um die Transformation zu ermöglichen.
4. Europa – Nordafrika: Partnerschaft im Aufbruch
Die EU hat mehrere Rahmen geschaffen, die eine enger vernetzte südliche Mittelmeerenergie- und Industriegeographie unterstützen:
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Der European Green Deal dient als übergeordneter Klima- und Energierahmen.
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Die eigene Generaldirektion für den Nahen Osten, Nordafrika und den Golf (DG MENA) unterstreicht die strategische Bedeutung der Region.
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2022 unterzeichneten Marokko und die EU die „Marokko-EU Green Partnership“, mit Fokus auf grünen Wasserstoff und regulatorische Abstimmung.
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Die Europäische Nachbarschaftspolitik hat die Finanzierung zahlreicher Klimaresilienzprojekte ermöglicht, und die Union für den Mittelmeerraum zeigt politischen Willen zur koordinierten Herangehensweise.
Trotz dieser Fortschritte bleibt die Finanzierungslücke aber einer der zentralen Bremsklötze.
5. Chancen für das Saarland und die Stahlindustrie
Als Leiter des Arbeitskreises Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz unserer CDU-Landtagsfraktion beobachte ich genau, wie diese Entwicklungen für das Saarland konkret werden:
Für Dillinger Hütte / Saarstahl AG (SHS)
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SHS hat sich mit dem Großprojekt „Power4Steel“ einer grünen Prozessroute verpflichtet: Direktreduktion mit Wasserstoff, Elektrolichtbogenöfen statt konventioneller Hochöfen. Die Finanzierung ist bereits weitestgehend gesichert.
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Ein langfristiger Liefervertrag über grünen Wasserstoff (ab ca. 2029/2030) mit Pipeline-Anbindung nach Dillingen ist abgeschlossen. Das zeigt: Der Umstieg ist nicht mehr nur Vision, sondern kurz vor der Umsetzung (wenn die Landesregierung hier zügig voran macht).
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Damit wäre das Saarland in einer Schlüsselposition: Als einer der ersten Stahlstandorte, der auf Wasserstoff-basierte Produktion umstellt, könnte es zur Blaupause für die deutsche Stahlindustrie werden.
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Gleichzeitig wird Import-Wasserstoff (oder Wasserstoff-Ammoniak) eine wichtige Rolle spielen – was die regionale Versorgungsinfrastruktur (Pipeline, Umschlag, Lagerung) relevant macht.
Für das Saarland insgesamt
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Die geografische Nähe zu Frankreich (Carling) und die Lage im Herzen Europas machen das Saarland zur idealen Drehscheibe für Pipeline-H₂ oder Zwischenlogistik von Wasserstoff/Ammoniak aus Nordafrika nach Mitteleuropa.
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Zulieferindustrie im Maschinen- und Anlagenbau kann profitieren: Der Umbau der Stahlwerke erfordert neue Elektrotechnik, Sicherheitssysteme, Automatisierung, Wartung – Chance für regionale Unternehmen und Fachkräfte.
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Ausbildung und Qualifizierung gewinnen an Bedeutung: Wasserstoffsicherheit, Elektrolyse-Betrieb, industrielle H₂-Logistik – dies kann ein regionaler Standortvorteil werden.
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Landesregierung und Wirtschaftskammer können diese Transformation begleiten, indem sie aktive Vernetzung mit nordafrikanischen Partnern herstellen, Fördergewohnheiten anpassen und internationale Projektpartnerschaften fördern.
6. Mein Aufenthalt in Marokko – und warum ich hier bin
Der Aufenthalt in Marokko dient dazu, gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern mitzuhelfen, die Weichen für diese Transformation zu stellen.
Wir diskutieren mit marokkanischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern über:
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wie marokkanische Dekarbonisierungsprojekte (Erneuerbare Energie, grüner Wasserstoff, Industriemodernisierung) konkret verlaufen,
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welche regulatorischen Rahmenbedingungen notwendig sind (z. B. Zertifizierung, CO₂-Reporting, Import-/Export-regelungen)
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welche Rolle deutsche Firmen und insbesondere das Saarland spielen können – in Technologie, Infrastruktur, Partnerschaft
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wie Finanzierung, Netzanschluss, Technologietransfer und Logistik gemeinsam entwickelt werden können.
Mein Ziel: sicherzustellen, dass das Saarland nicht nur Reaktant, sondern aktiver Partner dieser deutsch-marokkanischen grünen Industrialisierung wird — und dass unsere Stahlwirtschaft frühzeitig Teil einer nachhaltigen Wertschöpfungskette werden kann.
Es ist schade, dass eine Delegation aus der saarländischen Politik und Wirtschaft nach allem, was wir hier gehört haben, offenbar eine bereits geplante Reise wieder abgesagt hat.
Das wirft Fragen auf - denn so werden natürlich auch wichtige Gesprächspartner vor Ort verprellt und enttäuscht. Wir werden als CDU-Fraktion hier am Ball bleiben - gemeinsam, konzertiert und über die Ländergrenzen hinweg,
7. Fazit
Die grüne Transformation ist eine Riesenchance – für Marokko, für Europa und ganz konkret für das Saarland. Der CBAM ist nicht nur Herausforderung, sondern Hebel zur Modernisierung.
Wenn wir die Themen Importinfrastruktur, Zulieferketten, Bildung/Qualifizierung, internationale Kooperation und Finanzierung jetzt zielgerichtet angehen, dann kann das Saarland zu einem zentralen Knotenpunkt der europäischen Wasserstoff- und Stahlrevolution werden.
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